Redebeitrag für die Demo von "Zittau ist bunt"
Redebeitrag für die Demo von "Zittau ist bunt" am 27. April 2024, gehalten für die Piratenpartei Sachsen.
Text als Hörfassung: ▶️Redebeitrag für die Demo von Zittau ist bunt.mp3 (6 min 10s)
Ahoi,
ich bin Stephanie Henkel, Vorsitzende der Piratenpartei Sachsen und unsere Spitzenkandidatin für die Landtagswahl und ich bin hier zusammen mit euch auf dieser Demo, weil sich ja schließlich irgendwer gegen die rechte Scheiße und Aktionen wie die blaue Welle stellen muss. Vor allem in Sachsen haben wir seit Jahrzehnten ein riesiges Problem mit Rechtsextremismus, mit Gewalt von rechts außen und so gut wie niemensch schaut hin. Weil die meisten Leute glauben, es würde sie nichts angehen, es hätte nichts mit ihnen zu tun. Aber um zu zeigen, dass es uns alle etwas angeht, werde ich jetzt mal ein wenig anekdotisch.
Eine kleine Zeitreise in meine Teenie-Zeit: Bei uns an der Schule in Großröhrsdorf gab es eine rassistische Lehrkraft, die asiatischen Schülis vorgeworfen hat, warum sie nicht gut in Mathe waren und zu schwarzen Schülis vor versammelter Klasse das N-Wort gesagt hat. Das war die Zeit, als Fackelzüge wieder in Radeberg in Mode kamen, so in den späten 0er Jahren. Und zu dieser Zeit, hatte ich auch das erste Mal so richtig Angst vor Neo-Nazis, als ich mit einem Kumpel in einem Park in Hoyerswerda saß und die Faschos mit Rechtsrock und Bier grölend durch den Park zogen. Aber meine Angst verwandelte sich in Wut und ich begann auf Demos zu gehen.
Spulen wir mal ein paar Jahre vor, bis 2015. Viele Geflüchtete haben Zuflucht bei uns gesucht und die Reaktion darauf war Hass. Erst gründete sich PEGIDA, später zig lokale Ableger. Damals habe ich noch in Leipzig gewohnt und über Jahre jeden Montag auf der Straße verbracht, auch wenn der Protest kleiner wurde. Denn irgendwer musste es ja tun.
Und ein letzter Zeitsprung zurück in dieses Jahr, sogar nur bis vor ein paar Wochen. Ich durfte bei einem Projekt für politische Bildung mitmachen und zusammen mit verschiedenen Politiker·innen aus verschiedenen Parteien in Oberschulen vorbei schauen und mich den Fragen der Schülis stellen. Neben vielen guten Fragen und ehrlichem Interesse gab es aber auch diverse Zwischenfälle, wie z.B. eine aus Tüchern zusammen gebundene Kaiserreichsflagge, also die schwarz, weiß, rote Flagge, und im Vorfeld bei unserer Ankunft laute AfD-Rufe. Natürlich war keine Person von der AfD dabei, Leute von einer gesichert rechtsextremen Partei haben nichts an unseren Schulen zu suchen. Aber ihr Hass und ihr Gedankengut war und ist bereits in einigen jungen Menschen tief verwurzelt, wie diese Beispiele wieder zeigen.
Das sind nur einige Stationen meiner persönlichen Geschichte mit rassistischen und faschistischen Verhalten. Sie stehen exemplarisch für all die Situationen, die wir alle andauernd erleben. Sogar die von uns, die wie ich weiße Kartoffel, sich auch wegducken könnten. Aber das dürfen wir nicht tun.
Wir müssen immer wieder auf den bestehenden Rassismus und die Folgen hinweisen, auf der Straße und im zivilgesellschaftlichen Engagement. Aber genau diesem zivilgesellschaftliche Engagement werden immer öfter die Mittel gestrichen. Die Finanzierung wird, wenn sie überhaupt erteilt wird, oft nur für einen Zeitraum von einem Jahr genehmigt und oft ist der Fortbestand für z.B. Exit-Projekte, also Projekte, die Menschen dabei unterstützen, aus der rechtsextremen Szene auszusteigen, gestrichen. Aber auch die Gelder für konkrete demokratiefördernde Bildungsmaßnahmen und -Insitutionen wie die Landeszentrale für politische Bildung reichen oft nicht aus.
Wir brauchen jedoch genau solche Projekte, damit Menchen nicht in die Arme rechter Strukturen laufen oder genau dort hängen bleiben. Und vor allem braucht es auch Alternativen zu den rechten Angeboten, in den Städten und auf dem Land. Jugendclubs, Stadtteiltreffs, Sportangebote, Hack- und Make-Spaces und so weiter. Denn eine lebendige, bunte Zivilgesellschaft ist eines unserer stärksten Mittel gegen den Rechtsextremismus.
Stattdessen wird genau an solchen Projekten der Rotstift angesetzt. Besonders tragisch ist es, wenn es Beratungsangebote für Betroffene rechter Gewalt und Exit-Projekte trifft. Projekte, die Planungssicherheit brauchen. Die langfristig arbeiten und nicht nur von Jahr zu Jahr.
Ich weiß, viele von euch sind frustriert. Und ganz ehrlich, ich bin es auch oft. Ich bin frustriert, wenn ich sehe, wie an wichtigen Stellen Gelder gestrichen werden. Ich bin frustriert, wenn rechten Demos der rote Teppich ausgebreitet wird und den demokratischen Gegendemos nicht mal Protest in Sicht- und Hörweite erlaubt wird. Und fangen wir mal gar nicht erst richtig an, wie schwierig es um den strukturellen Rassismus in der Polizei, vor allem in Sachsen steht und was für eine Katastrophe unser Polizeigesetz in Sachsen ist, was erwartbar als in Teilen als verfassungswidrig erklärt wurde und eine komplette Überarbeitung braucht.
Ja, es ist frustrierend, aber wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen uns alle zusammen dafür einsetzen, dass es besser wird. In der Politik, in der Zivilgesellschaft und auf der Straße.
Ich stehe hier ja auch für die Piraten Sachsen und viele der Forderungen, die ich eben genannt habe, findet ihr auch in unserem Wahlprogramm.
Und das ist auch ein gutes Stichwort: Bitte geht wählen. Zu den Kommunal- und EU-Wahlen am 9. Juni, zu der Landtagswahl am 1. September. Bitte bitte geht wählen. Damit meine ich gar nicht unbedingt, dass ihr uns Pirat·nnen, dass ihr mich wählen sollt, sondern einfach euren Arsch bewegt und euer Kreuz bei demokratischen Parteien setzt.
Die Rechtsextremen schaffen es immer sehr gut, für ihre rechte Hetze zu mobilisieren. Damit haben wir auf der linken Seite ein riesiges Problem.
Aber für eine vielseitige, antifaschistische Gesellschaft müssen wir etwas tun. Unser Kreuzchen setzen, auf die Straße gehen und uns zivilgesellschaftlich engagieren. Aber dafür braucht es Geld und das sollte uns unsere Demokratie wert sein.
Danke dass ihr mir zugehört habt. Danke dass ihr heute alle hier seid. Alerta!