Persönlicher Jahresrückblick 2022
Text als Hörfassung: ▶️ Persönlicher Jahresrückblick 2022.mp3 (15 min)
Ein Jahresrückblick. Nun. So etwas habe ich für mich selbst noch nie geschrieben, aber ich denke, in diesem Jahr ist so viel passiert, dass ich euch einfach mal das Wichtigste zusammen fasse.
Es sind wilde Zeiten und wir alle stecken mittendrin. In diesem Sinne, fangen wir einfach mal chronologisch an, was dieses Jahr bei mir passiert ist.
Komm ins Fediverse taz
Anfang des Jahres hat mich die liebe caos gefragt, ob ich nicht die Aktion #KommInsFediverseTaz unterstützen möchte. Da ich früher für kurze Zeit mal ein Print-Abo der taz hatte und immer noch gern in den online-Artikeln stöbere, musste sie mich nicht lange überreden.
Zu diesem Zeitpunkt gab es nur einen Bot und ein Diaspora-Account der taz im Fediverse, den ein Angestellter in seiner Freizeit betrieben hatte. Für eine große Zeitung, die sich schon öfter kritisch den großen Daten-Saugern im Social-Media-Bereich gegenüber geäußert hatte, also eher enttäuschend.
Deshalb wurde in einer kleinen Gruppe ein offener Brief verfasst, der viel Zuspruch aus dem Fediverse erhalten hat und ich habe ein kleines Unterstützungsvideo gedreht. Im Herbst gab es auch ein Austausch-Gespräch zwischen der taz und einigen aus dem Team hinter #KommInsFediverseTaz.
Das ernüchternde Ergebnis war allerdings: Es ist alles nicht so einfach und am Ende mangelt es am Geld. Auch ist fraglich, wie die Prioritätensetzung wäre, wenn die Social-Media-Abteilung der taz mehr Geld hätte.
Was sich allerdings geändert hat, ist das mehr einzelne Journalist·innen jetzt im Fediverse gelandet sind und sich unabhängig von der Aktion auch mehrere Mastodon-Instanzen für Journalist·innen gegründet haben.
Mehr eigene Videos und mein eigener Blog
Beginnend mit dem Untersützungsvideo für #KommInsFediverseTaz habe ich mehr eigene Videos auf meinem PeerTube-Kanal veröffentlicht und das neue Format der Kurzvideos angefangen. Außerdem habe ich im März auch meinen eigenen Blog begonnen.
Ich werde personelle Infrastruktur im Fediverse
Im Frühjahr begann auch mit der Ankündigung von Elon Musk, dass er Twitter kaufen wolle, die erste größere #neuhier Welle im Fediverse für dieses Jahr. Ich war wieder viel als Erklärtante unterwegs und habe ein sehr spontanes Video über Server und Föderation gedreht, was ziemlich durch die Decke ging. In dieser Welle, wollte ich unbedingt noch mehr tun und habe Markus, dem Admin meines Vertrauens und meiner Mastodon-Heimat-Instanz, gefragt, ob ich auf dresden.network mit moderieren darf. Und Schwups, war ich Moderatorin.
Ein schöner Job, der an manchen Tagen nur einen kurzen Blick auf den Server bedarf, manchmal vor allem bei der zweiten großen Welle, als Elon Musk jetzt wirklich Twitter gekauft hat, schon deutlich länger gedauert hat und ich auch schon eine Phase lang eine Stunde am Tag moderiert habe. Mittlerweile haben wir auch unsere monatlichen Moderationstreffen im Fediverse etabliert, über die ich sehr dankbar bin. Es ist gut zu wissen, dass wir das schon alles irgendwie zusammen hin bekommen. Mit der zweiten Welle haben sich jetzt auch die Hilfsrunden für neue Leute etabliert, bei denen ich fester Bestandtteil bin und noch viele weitere Hilfsangebote.
Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass sich während der zweiten Welle viel mehr Menschen vernetzt und sich auch getraut haben, zu helfen. Das war ein ziemlicher Lichtblick, wenn wieder zig Fragen offen waren und alles einfach viel zu viel war.
Und es gab noch die Videos und Artikel, die dieses Jahr von oder mit mir als Erklärungen und Hilfestellungen veröffentlicht wurden. Hier noch eine kleine Übersicht:
Videos und Podcasts:
Willkommen ihr Neuen im #Fediverse
Zurück zum Thema von detektor fm: Twitter-Alternative Mastodon - Ist das Fediverse die Zukunft?
Texte:
Interview geführt von Lukas Schieren zum Fediverse
Artikel mit mehreren Interviews geführt von Eva Wolfangel für heise online zum Fediverse
Artikel von mir Funkwhale - Audiostreaming mit Walen im Fediverse für gnulinux.ch
OBW Dresden
Dann gab es in Dresden auch noch die Oberbürgermeister·innenwahl im Juni und Juli. Dieses Mal war ich sehr involviert in dem kleinen Team um Martin Schulte-Wissermann, unserem Kandidaten der Piratenpartei. Nicht nur, weil er ein Freund ist und in meinen Augen der beste Kandidat war, sondern natürlich auch, weil ich die OB-Wahl für eine gute Vorbereitung für die 2024 anstehende Kommunalwahl halte.
Auch wenn Martin nur im ersten Wahlgang angetreten ist, war doch jede Menge zu tun.
Ich hoffe, wir können viel für anstehende Wahlen und vor allem unser Miteinander während solcher Druckphasen aus diesem Wahlkampf mitnehmen, weil zwar viel gut gelaufen ist, aber auch vieles schwierig war.
Queer-Pride
Die Queer-Pride am 25. Juni war für mich auch in diesem Jahr wieder ein absolutes Demo-Highlight. Ich bin einfach so froh, dass sich eine wirkliche emanzipatorische Alternative zum CSD in Dresden etabliert hat, zu welchem ich seit Jahren nicht mehr gehe. Auch begeistert mich die Offenheit und der umsichtige Umgang in der Gruppe rund um die Queer-Pride. Ich muss mich nicht rechtfertigen, um Teil der Chat-Gruppen zu sein. Mich nicht erklären. Was mir persönlich auch sehr geholfen hat, da ich als demisexuelle cis heterosexuelle Frau oft das Gefühl habe, fehl am Platz zu sein, wenn ich queere Räume betrete.
Ich persönlich sehe meine Demisexualität als großen Vorteil, da ich so ein "dauermonogamer" Mensch bin, sieht eins mir das auch alles gar nicht an. Ich ticke bei vielen Sachen anders als andere, das ist eben auch eine etwas andere Facette an mir.
Bei der Pride habe ich mich angenommen gefühlt und es hat sehr viel Spaß gemacht, zusammen mit einigen anderen Pirat·innen einen Lauti zu ordnern.
Offline-Bundesparteitag und neuer Bundesvorstand der Piratenpartei
Schon wieder geht es um eine Wahl, bei der andere angetreten sind? Ja, weil wieder Freund·innen darunter waren. Im Juni hat die Piratenpartei Deutschland einen neuen Bundesvorstand in Bad Homburg gewählt. Da auf unserer Bundesebene lange sehr viel sehr chaotisch ablief, bin ich extrem froh, dass sich seit der Bundesvorstandswahl einiges intern geändert hat. Auch ist jetzt der Wille aus der Bundesebene heraus spürbar, auch etwas verändern zu wollen und mit allen zusammen zu arbeiten.
Auch wenn jetzt zwei tolle Menschen, Anne und Jan, durch ihre neuen Bundesvorstandsposten weniger Zeit für lokale Themen in Sachsne und Dresden haben, bin ich sehr froh, über den Wechsel im Bundesvorstand.
Fedicamp
Eines der schönsten Erlebnisse dieses Jahr war für mich das Fedicamp vom 04. bis 08. August 2022 in Gedelitz.
Wir haben zusammen gezeltet, miteinander gesprochen, Workshops abgehalten, zusammen gekocht - einfach vier Tage lang miteinander verbracht und von einander gelernt. Ein Haufen Leute aus dem Internet, die das Fediverse zusammen gebracht hat. Das war unglaublich toll und einen ausführlicheren Bericht der Gruppe könnt ihr hier nachlesen und meinen Videoerfahrungsbericht findet ihr hier.
Landesparteitag der Piratenpartei Schleswig Holstein mit Camp in Tydal
Damit das 9 Euro Ticket auch richtig genutzt wurde, war ich in diesem Sommer auch zum Landesparteitag der Piratenpartei Schleswig Holstein in Tydal. Es gab ein kleines Camp, wir haben gegrillt und auch die JuPis hatten ihre erste große Sitzung und Vorstandswahlen als neuer eingetragener Verein.
9 Euro Ticket Beisetzung
Eben waren wir noch bei meiner Nutzung des 9 Euro Tickets und jetzt sind wir schon am 1. September angelangt. Den ersten Tag nach dem 9 Euro Ticket.
Wir brauchen einen fahrscheinfreien ÖPNV. Davon bin ich fest überzeugt. Das 9 Euro Ticket war ein guter erster Schritt, um zu zeigen, wie gut unsere öffentlichen Verkehrsmittel genutzt werden, sobald sie sich auch mehr Leute leisten können.
Deshalb ist es sozial und langzeitig auch aus Klimasicht fatal, dass es keine vernünftige bundesweite Anschlusslösung für das Ticket gibt. Unseren Protest haben wir von der Piratenpartei Deutschland gezeigt, indem wir das 9 Euro Ticket symbolisch vor dem Bundesverkehrsministerium in Berlin beigesetzt haben.
Fun Fact: Das 9 Euro Ticket auf all unseren Share-Pics war übrigens von mir.
Datenspuren
Am 3. September Wochenende waren wie jedes Jahr die Datenspuren, der kleine Kongress des c3d2 (Chaos Computer Clubs Dresden), ein fester Termin in meinem Kalender.
Da sich seit einer Weile eine Stick-Gang im c3d2 entwickelt hat, haben wir zusammen einen Workshop zum Maschinensticken an Paffbert gehalten und sehr viel gestickt.
Bits und Bäume Berlin
Kurz darauf, am ersten Oktoberwochenende, war dann die 2. Bits und Bäume Konferenz in Berlin. Wir sind zu sechst als Bits und Bäume Dresden zur Konferenz gefahren und ich habe für unsere Ortsgruppe einen Workshop zur Fediverse-Nutzung gehalten.
Für mich war die Erfahrung sehr durchwachsen. Bei der Organisation ist mir schon im Vorfeld einiges aufgestoßen und mein Eindruck hat sich vor Ort leider bestätigt. Andererseits gab es sehr viele gute Beiträge, unsere selbstorganisierten Fediverse-Treffen waren super und ich konnte mich mit Leuten austauschen, die ich sonst nie offline sehen kann.
Aber meine ausführlichen Eindrücke habe ich auch noch einmal in diesem Erfahrungsbericht für euch festgehalten.
Besonders spannend ist jetzt zu beobachten, wie es mit der Konferenz und den neuen Forderungen weiter geht.
28,2 %
In diesem Herbst bin ich auch ein lang gewachsenes Herzensprojekt angegangen: Meinen Podcast 28,2 %. Darin interviewe ich nichtmännliche Personen aus der Parteipolitik und stelle ihnen allen die gleichen 20 Fragen und veröffentliche die Folgen wöchentlich.
Dabei geht es mir zum einen um Repräsentation, zum anderen um Aufklärung und natürlich auch darum, Leute zu motivieren. Den Podcast findet ihr hier.
Austritt aus der Bits und Bäume Bewegung
Der Schritt, der mir dieses Jahr am schwersten fiel, war der Austritt aus der Bits und Bäume Bewegung. Ich habe sehr lange damit gehadert und letztendlich war für mich die Diskrepanz zwischen dem Trägerkreis und der Bewegung und die dadurch entstehende Intransparenz nach innen und außen nicht mehr tragbar.
Mehr dazu in diesem Blog-Post.
Politisches Grundrauschen
Dann gab es natürlich auch noch das politische Grundrauschen, welches sich gar nicht so einfach zusammen fassen lässt. Meine Arbeit für die Piratenpartei, die Kliamastreiks und Anti-Nazi-Demos - es ist einfach immer viel los und das ist gut so.
RTC in Potsdamm
Mein persönlicher Jahresabschluss wird in Potsdam bei der Reconnect to Chaos stattfinden und ich freue mich schon sehr darauf!
Und wie geht es nächstes Jahr weiter?
Natürlich werde ich weiter im Fediverse aktiv sein, meinen Aufgaben in der Piratenpartei nachgehen und auch mein Podcastprojekt beenden. Das Größte, was für nächstes Jahr ansteht, ist die Vorbereitung der 3 Wahlen im Jahr 2024. Was auf der einen Seite sehr aufregend ist, aber auch sehr anstrengend wird. Mit dem Wahlprogramm für die Kommunalwahl werden wir auch direkt im Januar starten.
So wichtig Wahlen sind und so sehr es mich reizt, wieder unsere Postionen neu zu hinterfragen und zu diskutieren, um ein Wahlprogramm zu erarbeiten, so sehr hadere ich vor dem eigentlichen Wahlkampf.
Auch nach meiner Direktkandidatur zur Bundestagswahl 2021 stehe ich Wahlkämpfen immer noch sehr gemischt gegenüber. Währenddessen ist immer wenig Zeit für inhaltliche Arbeit, alle produzieren bergeweise Müll und in den Werbekampagnen werden Versprechen an den Horizont gemalt, die die meisten nicht halten wollen. Andererseits ist es auch die Zeit, in der uns mehr Menschen zu hören als sonst und wir eine Chance haben, gerade eben doch über unsere Ideen und Inhalte zu sprechen. Und nicht zu vergessen: Es geht auch darum, Menschen zu vertreten. Einen Platz in Volksvertretungen zu erlangen und reale Politik zu machen. Dafür lohnt es sich, Inhalte statt platter Phrasen in den Wahlkampf zu bringen.
Was sonst noch kommen mag, wird sich zeigen. Ich hoffe jedenfalls darauf, wieder mit so vielen tollen Menschen arbeiten zu können, wie dieses Jahr. Lernen zu dürfen und neue Leute kennen zu lernen.
Und allgemein, auch über meinen Wirkkreis hinaus wünsche ich mir, dass sich endlich mehr bewegt. Dass wir anfangen, etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun, anstatt die letzte Generation zu kriminalisieren. Dass die CDU in ihren Reihen rechts außen aufräumt und eine Partei für Konservative wird und nicht eine bleibt, die in Sachsen offen mit Neonazis spielt. Dass der Protest gegen Überwachung durch Chatkontrollen und Vorratsdatenspeicherung größer wird und wir uns nicht immer weiter hin zu 1984 entwickeln. Ich wünsche mir einfach, dass wir als Gesellschaft und Politik nicht weiter alles gegen die Wand fahren!
In diesem Sinne: Wir lesen uns alle im nächsten Jahr. Bleibt kritisch, mitfühlend und kreativ!